Psychometrie und Big Data
Das verstörende Erfolgsrezept von Trump und Brexit.
Beeindruckend, was wissenschaftliche Forschung kann; verstörend, was in der Anwendung daraus wird. Ein am 3. Dezember 2016 erschienener Artikel in „Das Magazin“ enthüllt die Hintergründe, die höchst wahrscheinlich Donald Trump und den Brexit-Befürwortern zum Wahlsieg verholfen haben.
Wie funktioniert das? Die Mechanismen basieren auf einer Kombination von psychologischer Verhaltensanalyse nach den Big 5 (Extraversion, Neurotizismus, Verträglichkeit, Offenheit, Gewissenhaftigkeit), Big-Data-Auswertung und Ad-Targeting. Dabei ist facebook die zentrale Datenquelle, um die Big 5 einzuschätzen. Das bedeutet, das online Verhalten (likes, posts, etc.) wird mit zusätzlich angekauften Datenquellen (Grundbuchauszüge, Kaufverhalten anhand EC-Karten, Bewegungsdaten von Mobiltelefonen, etc.) kombiniert. Ein immer wieder angepasster Algorithmus liefert dann personalisierte Profile, die über social media gezielt mit individualisierter Werbung oder ausgewählten, augenscheinlich validen Nachrichten den User beeinflussen. Beispiel aus Trumps Wahlkampf: Farbige Amerikaner, die eher pro-Clinton eingestellt waren, wurden herausgefiltert und über social media mit Nachrichten versorgt, die Clinton eher fremdenfeindlich darstellen. Dadurch wurden sie zu Nichtwählern.
Weitere interessante Bespiele über die Möglichkeiten des psychologischen Profilings findet Ihr in folgenden Beitrag auf Youtube.
Wie konnte es soweit kommen?
Der Psychologe Michael Kosinski hatte in seiner Doktorarbeit diese Zusammenhänge recherchiert und publiziert. Stets hat er auf die damit verbundenen Risiken der Manipulation hingewiesen. Zuerst lehrte und forschte er in Cambridge, nun an der Standford University. Bis eben eine Firma aus England die Idee kopiert und erfolgreich im Wahlkampf eingesetzt hat – erst bei Ted Cruz, dann beim Brexit und nun für Donald Trump. Nun muss sich der Forscher Kosinski gesellschaftlicher Kritik stellen.
Mein persönliches Fazit aus dieser Entwicklung hat drei Aspekte:
Erstens, schau genau. Ich werde ganz genau prüfen, welche Aspekte meines Lebens einen „online trace“ hinterlassen. Smart home und connected drive streiche ich ersatzlos aus genau diesem Grund von der Liste möglicher Anschaffungen. Apps und Communities werde ich nicht über facebook registrieren und die Privatspäre meiner Kinder hat oberste Priorität. Naja, ein kleiner Anfang, würde ich sagen.
Zweitens, ich betrachte die Quellen kritisch, die mein Meinungsbild bestimmen, recherchiere und bilde mir eine eigene Meinung, die ich ggfs. auch wieder revidieren muss. Nichts, was neutral oder objektiv zu sein scheint ist es. Insofern passt der Ansatz des sog. Konstruktivismus hier sehr gut: Es gibt keine objektive Realität, nur eine subjektive, die wir uns aufgrund unserer Sozialisierung, Präferenzen und – das ist neu – aufgrund der auf uns zugeschnittenen Werbung und Informationspolitik kreieren.
Drittens, danke ich meinem Mann Stefan, der mir in meiner eher sorglosen Art den Spiegel vorhält und mir hilft, die Entwicklungen unseres digitalen Lebens besser einzuschätzen.
Was ist Eure Meinung dazu? Ich freue mich auf den Austausch mit Euch und wünsche Euch eine entspannte Vorweihnachtszeit!
Herzliche Grüße
Eure Nicole
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